Einer muss den Anfang machen.
Ein Kommentar von Frank Ritter. Es folgt die längere Text-Version des Videos oben im Artikel.
Das Problem mit WhatsApp
Ich traue Mark Zuckerberg nicht, und zwar aus guten Gründen. Ich traue auch dem Meta-Konzern nicht, ebenfalls aus guten Gründen.
Entsprechend meide ich Meta-Produkte. Instagram öffne ich zwei-, dreimal im Monat und poste dort nichts mehr, meinen Facebook-Account habe ich vor Jahren gelöscht. Eine Ausnahme bildet WhatsApp. Auf den Messenger will ich zwar, kann ich aber nicht verzichten.
Denn: WhatsApp ist der „Default“. Fast jeder ist darüber erreichbar. Gerade für Gruppen ist WhatsApp kaum zu ersetzen. Ob in Klassen- und Studiengruppen, Sportvereinen, Hausgemeinschaften oder anderen Projekten – wichtige Informationen werden darüber geteilt, Diskussionen geführt.
Das ist der berühmte Netzwerkeffekt: Alle sind schon bei WhatsApp, also kommuniziert man auch darüber. Aber weil alle darüber kommunizieren, ist es auch so schwer, Leute von einer Alternative zu überzeugen, selbst wenn diese besser ist. Weil alle bei WhatsApp sind, bleiben alle bei WhatsApp.
Wie sicher ist WhatsApp?
Zuerst eine Entwarnung: WhatsApp ist, aus technischer Perspektive, kein schlechter Messenger. Das war mal anders, heute entspricht die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aber modernsten kryptografischen Standards. Soll heißen: Außer dem Sender und Empfänger kann grundsätzlich erst einmal niemand eine über WhatsApp versendete Nachricht sehen, lesen oder abhören. Es gibt jedoch mehrere Abers.
- Obwohl der Kommunikationsweg gut verschlüsselt ist, sind die Endpunkte angreifbar. Ob Geheimdienstler oder eifersüchtiger Ehemann: Wer Zugriff auf das Smartphone hat, auf dem WhatsApp läuft, kann Nachrichten mitlesen. Dieses Problem ist systemimmanent, betrifft alle Messenger.
- Die Nachrichten-Backup-Funktion von WhatsApp speichert, je nach Gerätetyp, zur Sicherung das Nachrichtenarchiv im iCloud- oder Google-Drive-Account des Nutzenden. Theoretisch haben Apple und Google also auch Zugriff auf die Nachrichten. Immerhin: Man kann Nachrichten-Backups ausstellen oder die Archive optional mit einem Passwort sichern. Das sollte aber lang und einmalig sein, sonst schützt es nicht.
- WhatsApp ist Closed Source. Meta könnte theoretisch eine Backdoor in die App integrieren, mit denen Nachrichten unverschlüsselt eingesehen und ausgewertet werden.
Die eigentliche Gefahr liegt jedoch woanders: WhatsApp gehört zum chronisch datenhungrigen Meta-Konzern. Der kann erst einmal bestimmen, welche Features in den Messenger Einzug halten und welche nicht. Ob man Statusmeldungen, Fan-Kanäle, KI-Assistenten und dergleichen braucht oder nicht: Als WhatsApp-Nutzer ist man dem, was der Meta-Konzern in WhatsApp integriert, ausgeliefert.
Die neuen KI-Assistenzfunktionen in Form des „blauen Kreises“ sind ein gutes Beispiel. Wer diese aktiviert, weicht den Datenschutz in WhatsApp auf: Beispielsweise lassen sich damit Konversationen zusammenfassen – dazu müssen die Chats aber an Server von Meta gesendet und dort verarbeitet werden. Meta beteuert zwar, dass der Datenschutz dabei gewahrt bleibt, der Sinn der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird damit aber dennoch ad absurdum geführt.
Meta bestimmt außerdem, wer WhatsApp benutzen kann. Da der Messenger einen wichtigen Teil unserer Kommunikations-Infrastruktur darstellt, ist das kein unerhebliches Risiko: Wer von WhatsApp ausgeschlossen wird, hat ein Problem.
Metas Handelsware sind Daten. Der Tech-Gigant will so viel wie möglich über uns wissen, damit die an uns ausgelieferte Werbung möglichst gut passt. Dafür hilfreich sind auch unsere WhatsApp-Gespräche. Auch wenn die Inhalte von Gesprächen geschützt sind, sagen die sogenannten Metadaten viel aus: Wer hat wann und wie oft mit wem kommuniziert – das allein sind schon wertvolle Informationen, mit dem Meta seinen Social Graph anreichern kann. So lassen sich Verwandtschaften, Freundschaften, Beziehungen und andere soziale Verbindungen leicht rekonstruieren.
Welche Alternativen zu WhatsApp gibt es?
Ob man WhatsApp wegen seines Feature-Creeps nicht mag, wegen der Politik von Meta, der Persönlichkeit Mark Zuckerberg oder einfach, weil man ein Quasi-Monopol nicht weiter stützen möchte – eine Alternative muss her. Bloß welche?
Telegram ist … keine Alternative. Zuerst einmal technisch: Chats sind dort standardmäßig nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt und damit unsicher. Die Unternehmensstruktur ist genauso intransparent wie der Firmengründer: Telegram wechselt seinen Firmensitz häufig, war unter anderem über Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen, in London und Berlin gemeldet, aktuell sitzt Telegram in Dubai. Auch die Persönlichkeit und Motivlage des Gründers, Pawel Durow, ist unklar.
Dazu kommt das wenig regulierte Wesen von Telegram: Verschwörungsgläubige, Neonazis und Kriminelle organisieren sich darüber. Dass der Anbieter etwas dagegen unternimmt, wie im Falle Hildmann, ist selten. Gründe genug, die App nicht zu nutzen.
Kommen wir zu Threema. Die Schweizer App ist technisch solide, hat seine Verschlüsselung extern überprüfen und als gut einstufen lassen. Threema läuft gar über europäische Server und … kostet Geld. Das ist nicht nur gut, sondern auch richtig, denn die Server zum Betrieb eines Messengerdienstes wollen schließlich bezahlt werden.
Problem ist, dass die Kosten von aktuell 6 Euro die Überzeugungsarbeit bei Freunden und Verwandten erheblich erschweren. Wo kämen wir denn da hin, wenn man für Datensicherheit und Privatsphäre den Gegenwert eines Schülerdöners latzen müsste? Schwierig, aber so ist sie nun mal, die Realität.
Die beste WhatsApp-Alternative ist damit Signal. Die App ähnelt in der Benutzung WhatsApp, ist kostenlos, wird von einer vertrauenswürdigen Organisation betreut, die sich über Spenden finanziert. Signals Verschlüsselung ist so sicher, dass sogar WhatsApp sie seinerzeit für sich übernommen hat. Zwar nutzt Signal auch amerikanische US-Clouddienste, da alle Kommunikation von Signal allerdings anonymisiert und Ende-zu-Ende-verschlüsselt wird, kommen die US-Tech-Giganten nicht an die Kommunikations-Daten.
Das klingt nicht nur gut, das ist es auch. Weihen gab es für Signal aus zahlreichen Richtungen: Ob IT-Guru Mike Kuketz, die Stiftung Warentest oder Whistleblower Edward Snowden – Signal wird von vielen Experten als bester Messenger, oder zumindest der beste Kompromiss aus Sicherheit und Komfort empfohlen.
Und dann war da noch die Signal-Affäre, in der verschiedene hochrangige Akteure der aktuellen Trump-Regierung sich zu einer geheimen Militäroperation austauschten und dafür Signal nutzten. Der Fall wurde deswegen öffentlich, weil versehentlich ein Journalist in die Signal-Gruppe eingeladen wurde. Kein gutes Zeugnis für die Trump-Regierung, aber die Affäre hatte durchaus einen Werbeeffekt für Signal. Im Zuge der Affäre stiegen die Downloads von Signal sprunghaft an – im April hatte der Messenger nach Informationen der NZZ 70 bis 100 Millionen Nutzer.
Okay, Signal also. Aber wie startet man?
Ganz einfach: Installieren, anmelden, nutzen.
Das ist es schon. Es gibt kein Gesetz, das euch verbietet, Signal und WhatsApp parallel installiert zu haben. Aber jede Nachricht, die nicht über WhatsApp läuft, ist ein Gewinn für die Datensouveränität. Möglicherweise werdet ihr auch überrascht sein, wie viele Kontakte von euch Signal schon nutzen – so war es zumindest bei mir.
Textet ab sofort Leute standardmäßig auf Signal an, statt auf WhatsApp. Schreibt in euren WhatsApp-Status, dass man euch auf Signal anschreiben soll. Redet mit den Leuten und teilt diesen Artikel und unser Video (YouTube/TikTok). Ich habe zum Beispiel Fabian bequatscht, dass er sich Signal installiert – erfolgreich! Je mehr mitmachen, desto besser.